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Die Leiterin des Karl-Marx-Hauses, Beatrix Bouvier, hatte in einem unserer
Emails erwähnt, dass sie neulich ein Buch des Österreichers
Robert Misik gelesen hatte, „Marx für Eilige“, angeblich
eine frische Re-Lektüre, die auch gleich zu einer Radiodiskussion
im Südwestfunk geführt hatte. Iring Fetscher, der Altmeister
des Marxismus, hätte neben ihr ebenfalls an dieser Diskussion teilgenommen.
„Marx für Eilige“ war nicht unbedingt das, was ich mir
für die Remarx-Reihe wünschte, aber ein Altmeister, das klang
vielversprechend. Soeben war bei Suhrkamp eine Neuausgabe der Vorlesungen
erschienen, die Alexandre Kojève Ende der 30er Jahre unter dem
Titel „Introduction à la lecture Hegel“ gehalten hatte.
Diese Vorlesungsreihe hat Generationen von Denkern beeinflusst, u.a. haben
Merlau-Ponty, Bataille und Lacan Kojèves Kurs besucht. Die deutsche
Ausgabe stammt von Iring Fetscher, er hatte Kojève 1945 während
eines Studienaufenthaltes in Paris kennen gelernt und war mit ihm bis
zu dessen Tod befreundet. Als ich dann noch erfuhr, dass die schöne
Neuausgabe von Goebbels´ Sportpalastrede auch von Iring Fetscher
stammte, war klar, dass ich ihn unbedingt aufsuchen musste. Ich hatte
gerade eine Interviewreihe „Face/Off“ beendet und arbeitete
an einer Ausgabe von Hitlers Reden zur Kunst. Egal ob wir jetzt über
Marx, Kojève oder Goebbels sprechen würden, Fetscher ist ein
Zeitzeuge, ein Überlebender, der nicht nur die Politikwissenschaften
in Deutschland begründet hat, sondern er kannte auch viele der großen
Denker noch persönlich. Deshalb freute ich mich sehr, als ich in
einem merkwürdigen Briefumschlag – Hotel Adlon Berlin, Absender
Prof. Dr. Dr. h.c. Iring Fetscher, Poststempel Frankfurt am Main –
sein Antwortschreiben bekam. Der ganze Brief war mit Schreibmaschine geschrieben,
einige Typen verrutscht und einige Erläuterungen von Hand hinzugefügt.
Er würde an dem Diskurs gerne teilnehmen und glaube das X hinter
der Maske, den Kern von Marx zu kennen, erlaube sich aber auch gelegentlich
daran zu zweifeln. Das war eine Anspielung auf meinen einführenden
Essay zu „Face/Off“, in dem ich den Faktor X hinter der Maske
des Menschen erwähne. Marx sei in der Tat kein Marxist gewesen, ,
sondern habe häufig bewiesen, dass er ein Meister nüchterner
und ehrlicher Beschreibungen der sozialen und ökonomischen Realität
war. Als private Aufzeichnung im Konzept klänge Marx meistens anders
als in den Texten, mit denen er ein Publikum in Wort und Schrift beeinflussen
wollte. |