Home
Projektbeschreibung
Marx´ Gespenster
Impressum + Kontakt


Home/ Interviews/ Michael Hardt


Iring Fetscher
Michael Hardt
Ilya & Emilia Kabakov
Slavoj Zizek
Peter Bürger
Alfred Hrdlicka
Wolfgang Fritz Haug
Jonathan Meese




 

Intro/ Interview/ Biografie/

Zu Anfang der 90er Jahre schien die Hypothese einer globalen kapitalistischen Welt noch wie eine Prophezeiung. Ein Jahrzehnt später wird diese Annahme zum herrschenden Diskurs aufsteigen. Das Zauberwort heißt Globalisierung, eine Art schleichende Rückkehr der Geschichte, ein Epochenbruch, verbunden mit der Vorstellung von einer neuen Weltordnung. Alle Diskurse mit dem Präfix Post – zuletzt die Postkolonialismusdebatten der 90er Jahre – schienen hierauf vorzubereiten. Ein fester Bestandteil dieses neuen hegemonialen Diskurses ist die „Beschwörung“, dass Marx, der Marxismus und damit der Spuk von einer sozialistischen Internationale und einer von Marx’ Ideen ausgehenden Revolution endgültig gebannt sei. Jeder Widerstand gegen diese sich unaufhaltsam ausbreitende kapitalistische Hegemonie sei daher zwecklos.

Mit „Empire“ prägten Antonio Negri und Michael Hardt einen Begriff für diese neuen Herrschaftsstrukturen, der mehr als nur eine Zustandsbeschreibung erlaubt. Ihr gleichnamiges Buch wurde 2000 zu einer Art politischem Weltbestseller und Hardt/Negri erlangten den Status von Kultautoren. Beide Autoren verleugnen nicht ihre Herkunft aus der marxistischen Tradition: Tony Negri, Mitbegründer des Operaismus, führt genauso wie Michael Hardt das Leben eines engagierten Intellektuellen und beide wurden zu Wortführern der Anti-Globalisierungsbewegung, die sich Ende der 90er Jahre formierte. Negris Wohnung in Paris war seit seiner Flucht aus Italien 1983 zum Treffpunkt für Intellektuelle und Aktivisten aus aller Welt geworden. Michael Hardt kam nach Paris, um Antonio Negris Buch über Spinoza zu übersetzen. Er blieb und in den nächsten Jahren schrieben sie gemeinsam „Empire“.

Ich hatte „Empire“ zuerst auf Englisch später noch einmal auf Deutsch gelesen und es gab einige Stellen, die mir unklar waren. Sieht so das „kommunistische Manifest der Postmoderne“ aus, was ist die „Multitude“, warum ist Spinoza in diesem Zusammenhang so wichtig, Marx...? Aber zunächst einmal, was ist das für eine Art von Zusammenarbeit, der eine, einst ein Star der Pariser Intellektuellenszenen, der schon mit Guattari, Deleuze und Althusser gearbeitet hat, der andere, ein junger amerikanischer Aktivist, dem erst mit „Empire“ der Durchbruch gelang? Der Kontakt kam relativ einfach zustande. Ich wusste, dass Michael Hardt an der Duke University lehrt und erhielt auch prompt eine Antwort via Email: „I would be very happy to participate in your ReMarx project. It might be easiest to do it over the telephone.”  Ein kurzes “Hi” am anderen Ende der Leitung und nach einigen “Yes“ and „Good“ konnte es losgehen, ich erwähne das deshalb, weil das ganze Interview in dieser lockeren Gesprächsatmosphäre verlief. Die inhaltlich sehr klaren Ausführungen wurden immer wieder mal unterbrochen von Sätzen wie, „entschuldige diesen komplizierten Satz“ oder „ich weiß nicht mehr genau, was wir an dieser Stelle schreiben, aber wir schreiben alle immer wieder mal so dummes Zeug“. Das schienen mir ein bisschen die Zweifel des Aktivisten gegenüber den Möglichkeiten der akademischen Sprache zu sein. Eine Stelle fiel etwas aus dem Rahmen: Kann man „Empire“ als Aufruf zu gewaltsamen Auseinandersetzungen lesen? Einige rechte US Magazine hatten Hardt/Negri sogar in Zusammenhang gebracht mit 9/11. Michael Hardt reagierte etwas pikiert auf die Frage obwohl er selbst in einem anderen Interview über diese Artikel gesprochen hatte. Aber schnell war klar, worauf ich hinaus wollte. Im Prinzip gehe es in „Empire“ um die Erfindung eines neuen politische Vokabulars, aber der Kampf selbst müsse wohl an anderer Stelle geführt werden und es sei bisher noch völlig unklar wie der aussehen könnte, welche Rolle Gewalt spiele etc., das seien alles Fragen die in Bewegungen und nicht in Büchern entschieden werden.

Am Schluss des Gesprächs schien er etwas verblüfft zu sein, als ich ihm vorschlug, die Transkription via Email zu schicken. Das sei doch nicht notwendig, irgendwelche Änderungen, nein, wieso denn?